Die knallharten „Weltverbesserer“ der Kryptobranche
Hamburg [ENA] Sie werben mit „Welcome to the new era of finance!“, mit Beteuerungen wie „People first!“ und großartigen Visionen eines unabhängigen kryptobasierten Ökosystems von dessen Erträgen auch soziale Projekte finanziert werden sollen. Doch was ist dran an dieser schönen neuen Krypto-Wohlfahrtswelt?
Der folgende Fall scheint der werbewirksamen Selbstinszenierung als Weltretter und Menschfreunde der auf Multi-Level-Marketing aufbauenden Kryptobranche deutlich zu widersprechen und er ist mit Sicherheit kein Einzelfall. Sara R. (Name vom Autor geändert) ist selbstständige Kosmetikerin aus Leidenschaft. Die zurückliegende Zeit hat gerade ihre Branche der körpernahen Dienstleistung stark in Mitleidenschaft gezogen. Sie hat sich von geschäftlichen Einbußen und dem Aufbau eines notwendig bedingten zweiten Standbeins bisher kaum erholt und ringt zudem noch mit den gesundheitlichen Folgen eines schweren Verkehrsunfalles.
Schicksalsschlag auf Schicksalsschlag
Doch dann trifft sie im Frühjahr 2022 der nächste, noch wesentlich härtere Schicksalsschlag: Diagnose Glioblastom - Hirntumor. Die Mutter einer in der Ausbildung stehenden Tochter ist fassungslos. Sie fragt sich tagaus tagein, wie sie mit diesen Belastungen fertig werden soll und was geschieht mit ihrer Tochter, wenn sie, wie die meisten Menschen mit dieser Diagnose, bald gehen muss. Alle Rücklagen sind durch die noch kaum überwundene globale Krise erschöpft und nun besteht auch kaum mehr Aussicht, ihr Geschäft wieder aufbauen zu können.
Mit diesen Sorgen vertraut sie sich via Zoom auch einem langjährigen guten Bekannten und Freund der kleinen Familie an. Dieser überlegt nicht lange und kehrt von seiner Fernreise zurück, um ihr in dieser prekären Lebenslage beizustehen und sie zu unterstützen. Neben den Hilfestellungen im Umgang mit der Diagnose und der Suche nach den verschiedensten Therapieformen sowie deren Begutachtung steht auch die Frage nach der notwendigen langfristigen finanziellen Absicherung der Kosmetikerin und ihrer Tochter im Raum. Sara R. erinnert sich, dass ihr Bekannter sich seine Reisen mit einer Investition in ein Kryptosystem ermöglicht hat und fragt nach, wie es damit läuft.
Er erklärt ihr das System, in dem es entweder durch entsprechend hohe Einlagen oder durch den Aufbau einer sogenannten Downline, also die Empfehlung an neue Investoren, möglich ist, sich ein gutes monatliches passives Einkommen aufzubauen. Sara R. ist zunächst skeptisch, da ihr die Welt der Krytowährungen und die Investitionen in außereuropäische Unternehmen nicht nur fremd sondern auch fragwürdig erscheinen. Doch der Erfolg ihres Bekannten, dem sie im höchsten Maße vertraut, lässt sie hoffen, hier einen Ausweg aus ihrer Misere zu finden. Zunächst bleibt sie jedoch weiterhin skeptisch.
"Vertrauenswürdigkeit" durch vorgetäuschte Sicherheiten
Ihr Bekannter, der dem CEO des Unternehmens selbst sein Vertrauen schenkt, belegt ihr, warum er dieses Vertrauen, entgegen seiner bisherigen Einschätzung des Kryptomarktes, für begründet hält. Das Unternehmen mit dem Namen eines Edelsteins, Paraiba, soll, im Gegensatz zu vergleichbaren Unternehmen der Branche, eine eigene Banklizenz besitzen mit einer Einlagensicherung von 50 Millionen US Dollar. Die Gewinne werden im Wesentlichen von zehn Profitradern im täglichen Kryptohandel erwirtschaftet, bei dem die Trader selbst vor Handelsbeginn eine Sicherheit hinterlegen müssen.
Die Werte des Unternehmens seien u.a. in hochwertigen Immobilien abgesichert und zudem traden die Profitrader nur vier Tage in der Woche für die Anleger und drei Tage für die Stabilität des Unternehmens. So soll dieses langfristig und solide gesichert werden. Zudem sollen so auch kurzfristige Schwankungen im Handel ausgeglichen werden, damit diese nicht zu Lasten der Anleger gehen. So zumindest weiß es ihr Bekannter von seinem Mentor, einem waschechten „Waldorfpapi“, dessen Mentor wiederum angeblich direkte Kontakt zur Geschäftsführung pflegt.
Schlussendlich ist Sara R. überzeugt und vertraut den Mentoren und dem Unternehmen, denen auch ihr Bekannter vertraut, weil sie ihm vertraut. Zudem drängt die Zeit, denn mit ihrer Diagnose ist alles ungewiss. Ihr Bekannter unterstützt sie nicht nur mit einer Startinvestition sondern auch mit der Einrichtung und dem laufendem technischen Support, da mittlerweile auch die Seh- und Konzentrationsfähigkeit der Kosmetikerin stark in Mitleidenschaft gezogen ist.
Freunde spenden großzügig, die "Company" freut sich
Um möglichst schnell ein angemessenes und ausreichendes passives Einkommen für sie und ihre Tochter aufbauen zu können, bittet sie all ihre Freunde und Bekannten, sie beim Aufbau zu unterstützen. Anstatt Geschenke und Blumen zu den Festivitäten und Geburtstagen sowie zur Genesung zu schenken, zahlen sie auf das für den Aufbau des passiven Einkommens vorgesehene Konto ein. Nun erweist sich der große Freundes- und Bekanntenkreis der sympathischen und allseits beliebten Kosmetikerin als sehr spendabel.
Schnell wächst Sara R.s Konto auf einen hohen fünfstelligen Betrag. So hofft sie, sich schon bald, befreit von finanziellen Nöten und Sorgen, mutig und mit festen Vertrauen dem fast hoffnungslosen Kampf gegen den Krebs stellen zu können. Auch ihre Tochter soll sich dann wieder voll ihrem Ausbildungsabschluss widmen können, anstatt mit diversen Nebenjobs zum Familienunterhalt oder korrekter -erhalt beitragen zu müssen.
Doch schon bald kommt die erste Verunsicherung. Ihr Bekannter, wohlwissend, dass es für den Genesungsprozess nicht förderlich sein wird, offenbart ihr im Hochsommer 2022 , dass die Auszahlungen der Gewinne limitiert werden und sich zunehmend zeitlich verzögern, ganz entgegen den bisherigen Erfahrungen und Aussagen der „Company“. Dennoch bleibt er im Vertrauen, dass es sich nicht um ein strukturelles sondern lediglich nur um ein kurzfristiges temporäres Problem handelt, wie es auch die Geschäftsführung und sein eigener Vertrauensmann unermüdlich wiederholen. Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich später herausstellen soll.
Betrug und Ignoranz statt Menschlichkeit und Verantwortung
Aber die Situation bessert sich nicht und Sara R. will sich deswegen zum ersten Mal ein Teil ihres Gewinns, Guthaben genannt, auszahlen lassen. Das Unternehmen beteuert immer wieder, dass alles daran gesetzt wird, die Auszahlungsbedingungen bei der eigenen Exchange schon in Kürze wieder auf den gewohnten Standard zu bringen, doch das Gegenteil geschieht und Sara R. erhält bis heute keinen einzigen Cent, Geld, auf welches sie doch so dringend angewiesen ist.
Dann, Ende August 2022, wird das System Paraiba beendet und in ein angeblich viel besseres, zukunftsweisendes System überführt, Trillant, Trillon, Trillando, kurz TTT. Trotz der unbefriedigenden Erfahrungen mit den eingefrorenen Auszahlungen, lässt sich Sara R. auf den Wechsel ein, zumal ihr als „Bestandskunde“ eine Verdoppelung der Anlage versprochen wird. Auch aus der Notwendigkeit heraus, sich und ihrer Tochter ein Einkommen und ihrer Tochter die Studiumfinanzierung sichern zu müssen, vertraut sie dem CEO Erich E., verkündet dieser doch immer wieder großmündig, dass im neuen System niemand weniger haben wird oder auf etwas verzichten muss.
Auch im neuen System wird es nicht besser, die vollmundigen Versprechungen von finanzieller Freiheit und einem neuen Finanzökosystem werden nicht im Ansatz erfüllt. Die Anleger werden vertröstet und mit immer neuen Winkelzügen in Schach gehalten. Und die Not wächst und dann der nächste Schock für die immer mehr durch die Krankheit und die Therapie in Mitleidenschaft gezogenen Kosmetikerin. Ausgerechnet in der Weihnachtszeit 2022 verdichten sich die Anzeichen, dass alles von Anfang an ein großer Betrug gewesen sein soll, keine Banklizenz, keine Einlagensicherung, zahlreiche Scheinadressen und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mal Trader, alles ein großer Fake, ein Schneeballsystem.
Auf mehrfache Mails an den Support mit Bitte um Auszahlungen wurde nicht bzw. abweisend und ausweichend reagiert. Spätestens seit Januar 2023, mit einer direkten Mail an die Geschäftsführung und mehreren Messengernachrichten, ist dieser die prekäre Situation von Sara R. bekannt, doch weiterhin keine Reaktion. Auch in den zahlreichen Foren zum Projekt TTT und in der gutgläubigen Community dieser neuen „finanziellen Freiheit“ wird auf diese spezielle Situation aufmerksam gemacht.
Doch weder die Wortführer und Werber dieses Systems noch die treuen und scheinbar unbelehrbaren Anhänger scheint es zu kümmern, obwohl sich unter ihnen doch zahlreiche Coaches befinden, die mit Begriffen wie Bewusstsein und Liebe für ihre Dienstleistungen werben und im CEO Erich E. den Menschenfreund schlechthin sehen. Offensichtlich verdrängt man diese Realität des Systems durch Ignoranz und folgt auch hier ergeben dem CEO.
Der Widerspruch könnte kaum krasser sein
Der wiederum ist sich nicht zu schade, angesichts der Ignoranz des hier beschriebenen Schicksals, seinen Anhängern genau das Gegenteil zu suggerieren. In einer Video-Nachricht vom 17.12.2023 in der der angebliche CEO Erich E. mal wieder eine der üblichen Durchhalteparolen nach der anderen zur Beschwichtigung der gläubigen Community zum Besten gibt und behauptet, dass seine „Company“ mit dem TTT-Projekt die Beste der Sparte ist, bringt er tatsächlich über sein Lippen, dass TTT ein Community-Projekt sei und, Zitat, „... falls irgendwann der Zeitpunkt kommt, wo ihr uns braucht, sind wir hier für euch und helfen euch, dass ihr ein normales Leben leben könnt...“. Mit dem vorliegenden Hintergrundwissen fehlen einem da wirklich nur noch die Worte.
Wohl alleinig der starke Glaube an ein Heilungswunder lässt Sara R. entgegen allen schulmedizinischen Prognosen ihre Krankheit nun schon seit fast eineinhalb Jahren überleben. Doch für den juristischen Weg, der mittlerweile immer vielversprechender wird, fehlt ihr die Kraft und das Geld. Auch ihr vertrauter Bekannter kann sie nicht mehr unterstützen, ist er doch selbst aufgrund des Betrugs mittlerweile Bankrott und schlägt sich international mit Gelegenheitsjobs durch. Er bereut es heute zutiefst, dass sein Vertrauen in seine „Upline“, in den CEO und dessen angebliche Vision, Sara R. dazu veranlasst hat, diesem Weg zu folgen.
Doch auch hier zeigt sich die unglaubliche Stärke der leidgeprüften Kosmetikerin, sie nimmt es ihm nicht übel, sitzen sie doch im gleichen Boot. Und auch ihr großzügiger Freundes- und Bekanntenkreis, der ihr so unglaublich engagiert beim Aufbau ihres Invests geholfen hat, macht ihr keine Vorwürfe. Menschliches Glück im finanziellen und gesundheitlichen Unglück, doch nicht von denen, die es plakativ im Munde führen und damit großmündig werben, sondern von denen, die es still und effektiv tun.
Menschliche Größe, an der sich der CEO und die Community des nachgewiesenen Krypto-Scams ein Vorbild nehmen können und sollten. Da wirkt es wie Hohn, wenn die Unique Exchange auch heute noch auf ihrer Internetseite wirbt: „Humanity and opportunities in a free world - this is where UNIQUE sees the future.“ (Menschlichkeit und Chancen in einer freien Welt - darin sieht die UNIQUE die Zukunft), doch offensichtlich nicht die Gegenwart, wenn sie gleichzeitig eine schwerst krebskranke Mutter komplett im Regen stehen lässt. Da stimmt wohl eher ein wesentlicher älteres Zitat: „An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen“.
Quelle Bild 1: https://go.chainalysis.com/rs/503-FAP-074/images/Crypto_Crime_Report_2023.pdf Quelle Bild 2: https://www.privacyaffairs.com/cryptocurrency-scams-2022/ Kontaktdaten des österreichischen Anwalts zum Anschluss an die Sammelklage gegen das Konstrukt Paraiba / Trillant / Unique Priate Bank, auch für NIcht-Östererreicher möglich: Mag. Jörg Zarbl, M.B.L.-HSG Rechtsanwalt A- 1070 Wien, Burggasse 63/8 T: +43 660 435 90 83 E-Mail Allgemein:office@zarbl.net E-Mail Paraiba:info@ParaTrill.at www.zarbl.net Wie die österreichische Presse und das Fernsehen vom 14. bis 16.12 2023 meldeten, haben zahlreiche Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen bereits stattgefunden, u.a. beim Fußball-Zweitligisten SV Leoben.